Foto von Engelbert Broda

Engelbert Broda, Physiker und Chemiker, geb. am 29. 8. 1910 in Wien, gest. am 26. 10. 1983 bei Hainburg. Broda, der Sohn des Juristen Ernst Broda und der Schauspielerin Viola Broda (geb. Pabst), verstand sich schon in jungen Jahren als Kommunist - beeinflußt vor allem von seinem Onkel Willy und seinem Taufpaten Egon Schönhof, der die russische Revolution persönlich miterlebt hatte und ein überzeugter Anhänger ihrer Ideen geworden war. Nachdem Broda am Akademischen Gymnasium mit Auszeichnung maturiert hatte, entschloß er sich 1928 zum Chemiestudium und inskribierte in Wien und Berlin. 1933 mußte er wegen des beginnenden Naziterrors in Berlin das dortige Institut für Physikalische Chemie von Max Bodenstein verlassen. Er kehrte nach Wien zurück und begann mit der Arbeit an einer zweiten Dissertation bei Hermann Mark am damaligen I. Chemischen Institut der Universität Wien, die er 1934 beendete. Sein politisches Engagement brachte Broda immer wieder in scharfen Gegensatz zum Austrofaschismus und führte zu mehreren Verhaftungen. Auch die Hochzeit mit der Berliner Medizinstudentin Hilde Gerwing im September 1935 ergab keinerlei Beruhigung der unsicheren Lebenssituation.
Broda flüchtete sofort nach der Trauung über die Tschechoslowakei in die Sowjetunion, wo er als Chemiker in Industriebetrieben Arbeit fand. Ende 1936 konnte Broda auf Grund einer Amnestie für politische Vergehen wieder nach Österreich zurückkehren. Nach dem Einmarsch Hitlers floh das junge Paar nach England, wo 1939 auch ihr Sohn Paul geboren wurde. Brodas wissenschaftliche Tätigkeit während der Zeit in England umfaßte die Bestimmung wesentlicher physikochemischer Parameter des Sehpurpurs. Von 1941 bis 1946 war er am Department of Atomic Energy in Cambridge, am Cavendish Laboratory und an der Universität Liverpool tätig. Während dieser Zeit baute Engelbert Broda gemeinsam mit dem Biologen Alexander Stock die "Vereinigung der Österreicher in Cambridge" auf, die im Rahmen der "Freien Österreichischen Bewegung" agierte. Ziel der Gruppe war es, die britische Öffentlichkeit und Regierung für die Wiederherstellung eines freien, demokratischen Österreich zu gewinnen. Eine seiner besonderen Aufgaben im Rahmen dieser Vereinigung bestand darin, den eigenständigen Beitrag Österreichs in der Entwicklung der Naturwissenschaften aufzuzeigen. Die dazu erforderliche Quellenarbeit in der Universitätsbibliothek von Cambridge bildete die Grundlage seiner späteren wissenschaftshistorischen Arbeiten. Ausschlaggebend für seine Rückkehr nach Wien 1947 waren seine tiefe Verbundenheit mit Österreich und eine Einladung Professor Hans Thirrings, eine radiochemische Abteilung zu gründen.
Im selben Jahr heiratete er in zweiter Ehe die jugoslawische Lyrikerin Ina Jun. Seine erste Anstellung erhielt er im Bundesministerium für Energiewirtschaft und Elektrifizierung, obwohl sein Hauptinteresse stets im Bereich der wissenschaftlichen Forschung lag. 1948 suchte er deshalb erfolgreich um Gewährung der Lehrbefugnis für das Gebiet der physikalischen Chemie an. Ohne Anstellungsverhältnis begann er dennoch sofort mit dem Aufbau der Radiochemischen Abteilung am I. Chemischen Institut der Universität Wien. Von 1955 bis 1980 war er Professor für physikalische Chemie an der Universität Wien.
Broda setzte sich als einer der ersten österreichischen Wissenschaftler mit der Problematik der Nutzung der Atomenergie auseinander. Er betrachtete sich dabei selbst eher als Skeptiker und Kritiker denn als direkter Gegner der Atomenergie, der versuchte, öffentliche Aufklärungsarbeit zu leisten. Brodas Bemühungen führten ihn zu der von Hans Thirring gegründeten "Vereinigung Österreichischer Wissenschafter", dem österreichischen Zweig der Pugwash-Bewegung. Dieser Zusammenschluß von Wissenschaftlern aus Ost und West mit dem Ziel, die Gefahr von Atomkriegen zu verringern, wurde durch eine gemeinsame Initiative von Lord Bertrand Russell und Albert Einstein im Jahr 1955 ins Leben gerufen.

Text: Österreichische Zentralbibliothek für Physik, Wien / Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek    Text drucken
Foto: © Österreichische Zentralbibliothek für Physik

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