Foto von Sidonie Nádherny von Borutin

Sidonie Nádherný von Borutin, Baronin und Saloniere, geb. am 1. 12. 1885 in Janowitz (Böhmen), gest. am 30. 9. 1950 in Harefield (England). Nádherný, drittes Kind von Karl Borromäus Johann Ludwig Ritter Nádherny von Borutin und Amalie, geb. Freiin Klein von Wisenberg, besuchte als junge Baronesse Konzerte und Theateraufführungen in Prag und unternahm 1906 eine Reise nach Paris, wo sie im Atelier von Auguste Rodin Rainer Maria Rilke kennenlernte, der zwischen 1907 und 1911 dreimal auf Schloss Janowitz, dem Besitz der Familie Nádherny, zu Gast war und der auch materiell von Nádherny gefördert wurde. Auf ausgedehnten Reisen durch ganz Europa wurde sie u. a. mit Lou Andreas-Salomé, Ludwig von Ficker und Fürstin Marie von Thurn und Taxis bekannt. 1913 lernte sie in Wien Karl Kraus kennen, mit dem sie eine lange, immer wieder unterbrochene Beziehung einging, die sich auch in einem umfangreichen Briefwechsel dokumentiert.
Während des Ersten Weltkriegs hielt sie sich bevorzugt in der Schweiz auf und ging 1920 eine "Standesehe" mit dem Grafen Max Thun ein, wurde jedoch 1933 wieder von ihm geschieden. Nádherný unternahm zwischen 1923 und 1931 zahlreiche Reisen, u. a. nach Ägypten, Syrien, Palästina, Griechenland, Kairo, Konstantinopel und Genua. Nach dem Tod ihres Bruders Karl lebte sie zurückgezogen auf Schloss Janowitz, musste mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen und das Anwesen 1942 verlassen, da es von der SS als Panzerreparaturwerkstätte requiriert wurde. Nach 1945 versuchte sie vergeblich das Schloss zu erhalten. Ab 1948 lebte sie hauptsächlich bei Freunden in Prag und emigriert 1949 nach London, wo sie mit ihrer langjährigen Freundin Mechthilde Lichnowsky zusammentraf. Sie wechselte häufig den Wohnsitz, hielt sich u. a. bei Lord Robert Gilbert Vansitttart auf und wurde 1950 wegen eines Krebsleidens in ein Spital eingeliefert. Sie hinterließ zahlreiche Korrespondenzen, u. a. mit Karl Kraus, Rainer Maria Rilke und Albert Bloch.

Text: Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (April 2009)     Text drucken
Foto: © Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Innsbruck

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